Ein Thema, dass mir schon länger auf der Seele brennt. Es gibt jede Menge Literatur dazu. In Fernsehsendungen wird darüber diskutiert. Blogger schreiben darüber. Jeder findet das Thema gut. Und ja, jeder weiß es ja eigentlich:
Wir Frauen müssen nicht perfekt sein.
Wir dürfen uns durchaus entperfektionieren.
Theoretisch.
Es ist noch gar nicht so lange her, definierte sich eine Frau über ihre Fähigkeit als Hausfrau und Mutter.
Dann kam die Optik dazu.
Eine Frau sollte elegant, gepflegt, top frisiert und immer perfekt gestyled sein.
Kein Problem für uns Frauen. Machen wir mit links.
Ein paar Jahrzehnte später gewann die Berufswelt für die Frau an Bedeutung.
Auch kein Problem für uns Frauen.
Das bisschen Haushalt macht sich von allein…
… da bekommen wir die 8 Stunden im Job locker in den Tag mit rein.
Der Wirkungsbereich der Frau wurde immer größer.
Nur der Tages umfang – der blieb gleich.
Ein Tag hat immer noch nur 24 Stunden.
Wir Frauen können alles – und das auch noch gleichzeitig!
Es geht doch so einfach.
Heidi Klum schafft das auch.
Auch wenn uns die Medien permanent an Promibeispielen vorgaukeln, dass alles auf einmal geht.
Nein, es geht nicht.
Ok, die Erkenntnis ist nicht neu – darüber wird regelmäßig in den Medien berichtet. Irgendwo zwischen der Nachricht, dass ein Model wiedermal 2 Wochen nach der Geburt im Bikini shootet und dem Bericht über eine Politikerin, die Familie und Beruf mit links unter einen Hut bringt gibt es eine kleine Kolumne, die uns Frauen im Nebensatz erklärt, dass Perfektion nicht wichtig sei.
(Achtung, Zynismus an:)
(Zynismus aus)
Könnte es eventuell sein, dass wir Frauen deshalb neidisch sind, weil wir meinen alle Lebensbereiche gleichzeitig in Perfektion erledigen zu können?
Warum akzeptieren wir nicht, dass man eben nicht alles kann? Und dass wir unterschiedlich sind. Dass wir nicht alle die gleichen Prioritäten haben?
Es gibt Ausnahmetalente in vielen Bereichen. Mathematik, Sprachen,Sport oder Musik.
Über die Weltmeisterin im 100 Metersprint lästert keiner. Diese wird bewundert.
Und genauso gibt es Ausnahmetalente, die völlig relaxed einen 6 Personen-Haushalt managen. Ausnahmetalente, die tatsächlich Ihren Job und Familie Stressfrei alleine unter einen Hut bekommen.
Aber warum werden diese Frauen nicht wie die Sprinterin für ihre Fähigkeit bewundert sondern angefeindet?
Wenn jemand 6 Sprachen spricht, dann ist das ein Talent.
Genauso ist es ein Talent, den Haushalt zu schmeißen und Kinder stressfrei zu erziehen. Nur dass das nicht von der Gesellschaft als Talent sondern als Grundeigenschaft angesehen wird, die angeblich jeder könne.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Hochleistungssportlerin eine feindliche Mail erhält, dass sie mit ihrer Sportlichkeit die eigene Unsportlichkeit brüskiert. Oder dass eine Weltklasse-Wissenschaftlerin sich anhören muss, dass sie mit ihrer Intelligenz alle anderen Frauen dumm wirken lässt.
In unsere Gesellschaft hat sich die Grundeinstellung etabliert, dass sich eine Frau aufgrund der vielen Lebensbereiche – die Sie allesamt natürlich makellos meistern muss – logischerweise immer im Stress befindet. Ist sie nicht im Stress, dann schludert sie in dem einen oder anderen Bereich, so dass damit automatisch die Lizenz zum Lästern gegeben ist. Oder sie hat entweder viel Geld oder sonstige Unterstützung – und über diese unfaire Voraussetzung darf ebenfalls kräftig geschimpft werden .
Wenn eine Frau dann auch noch erzählt, dass sie mit ihrem Leben glücklich ist, dann wird sie beneidet. Sie möchte andere inspirieren und wird stattdessen mit einem öffentlichen Shitstorm bestehend aus hasserfülltem Neid überschüttet..
Und genau so ein Shitstorm, den eine Bloggerin erleben musste, hat mich zum Grübeln gebracht. Ich habe lange darüber nachgedacht, warum es so weit kommen konnte.
Man kann uns Frauen noch so viel über Entperfektionieren erzählen – wir machen es trotzdem nicht.
Aber ich würde mir wünschen, dasswir Frauen es schaffen, uns selbst mehr zu akzeptieren. Ich wünsche mir, dass die Fähigkeiten wie „Haushalt organisieren“ und „Kinder erziehen“ ebenso wertgeschätzt werden wie die Fähigkeit komplexe mathematische Gleichungen in Rekordzeit zu lösen. Ich wünsche mir, dass wir Frauen akzeptieren, dass es eben Andere mit tollen Talenten gibt und dass es weniger Neid und stattdessen mehr Bewunderung gäbe.
Also Mädels: Macht euch Gedanken darüber, was euch in eurem Leben wichtig ist. setzt Prioritäten und steht dazu, nicht alles können zu müssen. Gönnt euch das luxuriöse Lebensziel, mit eurem Leben auf eure individuelle Art glücklich zu sein.
Denn nur wer mit seinem Leben glücklich ist, kann anderen Menschen ihr Glück gönnen.
Ich werde über das Thema noch ein bisschen weitergrübeln…
Ciao,
Eure Mirjam
PS: Um auf das Zitat zu Beginn zurück zu kommen: Ich für meinen Teil bin eine katastrophale unorganisierte Hausfrau. Mein Mann muss beispielsweise auch seine Wäsche selber machen. Und ich bin nicht wirklich eine gute Köchin – aber zum Glück geht die Liebe eben nicht bei jedem durch den Magen…. Aber ich bewundere Frauen, die diese tollen verzierten Torten backen. Auch wenn ich weiß, dass ich das nie so hinbekommen würde. Man kann eben nicht alles können….
Liebe Mirjam,
Dein Beitrag ist wirklich inspirierend. Leider sieht man diesen Neid nun immer öfters und das nicht nur in der digitalen Welt.
Es wäre doch schön, wenn aus Neid ein „Oh, ich finde das toll. Das muss ich mit der Welt teilen“ werden könnte und es einfach mehr zu einer Gemeinschaft wird in der sich Leute mit unterschiedlichen Stärken gegenseitig die Hände reichen.
Schließlich kann man auch, wenn man es zu lässt, eine Menge von anderen Leuten lernen und sich so vielleicht in einem anderen Bereich weiterentwickeln. Vielleicht nicht bis zum Perfektionismus, aber zu einem Maße an dem man mit sich in diesem Bereich zufrieden ist.
Liebe Grüße,
Hachi
Hi,
ich habe auch schonmal so eine Attacke erlebt – das war nicht schön. Und ich habe das bis heute noch nicht verkraftet. Ich weiß nicht, ob sich die Menschen, die andere beschimpfen überhaupt darüber Gedanken machen, dass diese auch Gefühle haben. Ich bin ein Arbeitstier und ich schaffe viel. Aber trotzdem tut es mir weh, wenn jemand über mich lästert.
Danke für den aufbauenden Artikel!
Nicole
Hallo Hachi, dankeschön.
Der Punkt, den du nennst ist vermutlich eine wichtige Grundvoraussetzung um andere neidlos zu gratulieren: Der Wille, sich selbst weiter zu entwickeln und von anderen zu lernen. Ich hoffe sehr, dass sich hier viel entwickeln wird.
Oh Nicole, das ist heftig – ich wünsche dir viel Kraft, das ganze zu verarbeiten! Ein Spruch einer Freundin hat mir da mal geholfen: Man muss manchmal akzeptieren, dass man nicht Everybody´s Darling sein kann 🙂
Großartige Analyse! Vor allem der Vergleich mit der Hochleistungssportlerin gefällt mir. Als dreifache Mama kann ich ein Lied davon singen, dass jeder Tag nur mit eisenharter Disziplin zu stemmen ist. Ohne Menüplan, Einkaufsliste, Familienkalender etc. würde das Ganze nicht funktionieren. Schade, dass kaum eine Frau der anderen ihre kleinen (und meist hart erarbeiteten) Erfolge gönnt.
Glück auf, Anna Emscher
Ja, Anna – um 3 Kinder zu managen brauch man jede Menge Organisationstalent, Multitaskingfähigkeit, Ausdauer, und die Fähigkeit nie den Überblick zu verlieren. Und dann kommt es noch stark darauf an, wie die Kids so sind. Bei einen Freundin von mir schlafen alle 3 Kinder seit sie jeweils ein Jahr waren nur 8 Stunden am Tag – während meine 2 auch heute noch 11 Stunden schlafen. Das sind 3 Stunden jeden Tag, die ich mehr habe um den Haushalt zu organisieren und mir mal Zeit für mich zu nehmen. Aber da sieht man, wie schwer sich einzelne Situationen von Frauen eigentlich vergleichen lassen.